Weblog #12347: Lese/Lust

Liebes Tagebuch, 
ich bin froh, dass ich dich hier treffe. 
Ich hab dich zwischendurch gesucht, dann wieder vergessen. 
Ich dachte, du bist sicher da. Und hab mich dennoch nicht gemeldet. 
Ich dachte, das hat Zeit. Du rennst mir nicht weg. 
Diesen, morgen, nächsten Nachmittag werd ich mich melden. 
Dann nehm ich mir die Zeit. 
Zeit für dich, Zeit für mich, Zeit für uns. 
Und jetzt. Ist sie um. Die Zeit.
 
Warum ich davor weggerannt bin? 
Hat so ziemlich den selben Sinn, aus dem ich seit mehr als einem Jahr 
keinen Blog - Beitrag mehr veröffentlicht hab. 
Ich weiß nicht, ob man sagen kann, dass ich "ausgebrannt" bin. 
Das macht für mich keinen Sinn.
Das mag ich selbst nicht glauben. 

Da ist noch dieser Funke, der nur aufs Entfachen wartet.
Damit die Worte wieder fließen, die Blumen wieder sprießen.
Die passenden Ideen, sie liegen da, 
sind schon gestapelt. 

Doch auch diese Blockade, auf die ich warte,.. mich zu verlassen. 
Nicht mehr zu hassen, falsch aufzufassen; wieder Texte zu verfassen.
Als ich anfing zu schreiben, war da dieses Buch. 
Es war leer, es war leise, es hatte Zeit. 
Es wollte mir zuhören, für mich da sein und trotzdem bleiben. 
Mit mir leiden. Freundschaft ist, wenn man dir seine Ohren leiht.

Seitdem hat sich vieles verändert. 
Bin erwachsen geworden, hab mehr geschrieben, nicht immer auf Papier. 

Ich wurde berufstätig, musste mir überlegen was ich will.
Von dem Leben und dem Blatt Papier. 
Dabei wurde alles digitaler. 
Manches weniger sozialer. 

Mein Blatt war nicht mehr angemessen, nicht akkurat, nicht zeit-aktualisiert. 
Wie kann man Geld im Internet verdienen? Komm, ich zeig es dir. 
Google meinen Namen, da stehen Zeichen in Zahlen und da ist auch ein Foto von mir. 
Porno ist (k)ein Wort dafür, was ich dort mache. #WordPorn deklariert. Stop.
Mit Schreiben verdiente ich mein erstes Geld, 
mit Worten war ich auf einmal etwas wert. 
Ich hatte einen Namen, 
beantwortete Fragen. 
War eine Expertin auf meinem Gebiet. In meinem Gebiet. 
Meiner Hood, meinem zu Hause. 
Mein zu Hause auf der Blaupause.
Doch war das wirklich ich? Bin das wirklich ich? 
Das Schreiben. Ja. Am Computer. Gerne. 
Doch irgendwann wurde es einfach viel zu viel. 
Zu viel für mich, für meine Gedanken. Das Leben ist eben doch kein Spiel. 
Stell jemanden an, da ist Potential. 
Kannst du kurz warten? Ich frag kurz nochmal. 
Jede Reise, jeder Trip - alles wird zum Video - Clip. 
Jeder Pitstop zum Snapshot. Dein Leben ein Film. 
Doch du wirst ihn nicht sehen. 
Auch nicht hinter der Kamera, 
du bist zu beschäftigt, warst du wirklich da? 
Du organisierst, willst alles beschreiben, 
willst alles in Worte und noch schönere Bilder kleiden. 
Und doch bleibt es Verkleiden. 
Und wenn du fertig bist? Hat es kein Gewicht, 
denn jeder wartet, erwartet, dass es weiter geht. 
Heute aktuell, ist morgen verlebt. 
Das, was ihr heute seht, ist morgen Konserve. Stop.
Einen Leser mit Informationsdrang zu befriedigen, ist, wie.. 
dass der M29 mal pünktlich kommt - UNMÖGLICH. Doch ich wollte doch. 
Ich wollte schreiben. Wollte bleiben. 
Meinen Lesern meine Stadt und meine Sichtweise zeigen,
eine Base bieten, ein bisschen "Social cheaten", 
aber dennoch alles offen zeigen, offen schreiben, 
ehrlich bleiben. Eine Community sein. 
Als ich anfing mit meinem Blog, 
wusste niemand, was das ist 
oder Wie man das macht. 
Heute wird über jeden gelacht, 
der kein Facebook Profil hat. 
Ich hab mich lange gefragt: 
"how to give" / und "how to don´t give" a Fuck 
- wie man einen Fick und keinen Fick geben kann, gleichzeitig. 
Jetzt weiß ich es. Stop.
Immer rennen, immer laufen. 
Dennoch kannst du dir davon nichts kaufen. 
Am Ende. Sitzt du immer noch allein vor einem Bildschirm.
Deine Gedanken sind das.
Das das Bild stört.
Ich möchte nicht mehr Fake sein, nicht pretenden. 
Ich möchte mir und meinem Leben etwas gutes schenken.  
Meine Zeit und mein Leben für etwas nutzen, 
was mehr ist als die Analyse deiner Browsernutzung. 
Mehr als Abonnenten, mehr als Carousel Posts. 
Mehr als "people bought the most".
Wie viele Time Slots sind ein Leben? 
Wie viele Hashtags musst du vergeben? 
Welchen Filter magst du wählen? 
Es lässt sich alles an den Zahlen ablesen. Stop.
Also heißt das doch:
Wenn ihr nichts von mir lest, geht es mir gut. 
Ich lebe das Leben und das macht mir Mut. 

Der Docht, den ihr sucht, 
der lodert da noch. 
Eine Frage der Zeit, 
Zeilen kommen noch.  
Es soll wieder Spaß machen, ich will wieder lachen. 
Nicht für die anderen, ich hab es kapiert,
Nicht mehr Keywords, Header, Hashtag 
- suchmaschinenoptimiert. Stop.
Ich will meine Stimme wieder finden, wieder gerne schreiben. 
Ohne Vorschrift, ohne Leiden. 
Wie damals. Das Buch. 
Die leeren Seiten. 
Alles wird anders bleiben, das selbe, wie gehabt. 
Ich hoffe nur, dass ich dann auch was dazu sag. 
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One Thought to “Weblog #12347: Lese/Lust”

  1. „Alles wird anders bleiben, das selbe, wie gehabt.
    Ich hoffe nur, dass ich dann auch was dazu sag“

    Das tust Du schon – mit Deinem Sein. Und es gibt Menschen, die verstehen, was Du auch ohne Worte sagst. Auch, wenn sie Dich nicht kennen. Zwischen diesen Zeilen, die ich gerade gelesen habe liegt so vieles, was Du glaubst nicht in Worte fassen zu können – und doch hast Du hast es damit getan. Denn ohne sie gäbe es diese Zwischenräume nicht, die so viel sagen. Danke für jede Zeile, jedes Wort, die das möglich machen.

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